Jan Neukirchen

Michael Kröger: COPYPASTA

Fehler im System – zur Macht von Kunst

Auf den ersten Blick ähnelt Jan Neukirchens copypasta einer fast vergessenen Kindheitserinnerung: dem Spiel Stille Post. Was uns als Kindern damals als magisches Ereignis erschien, wird nun im Zeitalter der digitalen Reproduktion sehr viel komplexer realisiert. Im Kern geht es jedoch um die Übertragung von Informationen u n d darüber hinaus: um Fehler, die dabei entweder bewusst ausgemerzt werden oder bewusst vom Künstler als Quelle für neuartige Erfahrungen in Kauf genommen oder sogar provoziert werden.

„Jan Neukirchen hat die Installation an Google angeschlossen und es für eine der traditionsreichsten und an den Beginn des Zusammenhangs von Kunst und Ingenieurstechnik der Renaissance erinnernde deutsche Übersetzung des gedruckten Johannesevangeliums genutzt, die per Computer in stimmlich akustische Übertragung übersetzt wird.“ (Thomas Becker)

Konkret gesagt: Die Installation besteht aus mehreren „Echomaschinen“, die durch dünne Kupferdrähte mit einander verbunden sind. Beginnend mit dem Vers „Im Anfang war das Wort“ geben die Maschinen mittels Künstlicher Intelligenz eine gesprochene Botschaft so lange im Kreis weiter bis die Worte – durch Fehler beim Übertragen und Interpretieren des Schalls – nicht mehr als solche zu identifizieren sind. Dann beginnt das Spiel mit dem nächsten Vers des Johannesevangeliums von vorne.

Im Grunde benutzt Jan Neukirchen ein „Manko“ der Technik, um durch deren erweiterte Verwandlung neue Fragen zu dem System zu finden, an die sein Projekt quasi nicht-sichtbar angeschlossen ist: an das System Kunst. Kunst zeichnet sich, so der Soziologe Niklas Luhmann dadurch aus, dass es Unwahrscheinlichkeit wahrscheinlicher werden lässt. In diesem Falle, uns darüber spekulieren lässt, wie wir mit Fehlern umgehen oder sie umgekehrt auch zwanghaft verstecken.

Philosophie lernt man – frei nach Hans Blumenberg – indem man beobachtet, wie sie gemacht wird; Kunst entsteht hier, indem man kontrollierte Störungen ins Werk setzt. Die Irritation, die durch Störungen entsteht, erweitert unseren Blick auf Kunst, die plötzlich nicht mehr nur als autonome Kunst erscheint, sondern buchstäblich auch das Bild stört, das wir uns bisher von perfekter Kunst gemacht haben.

Michael Kröger

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